Wir freuen uns, Spectrum without Traces zu präsentieren, eine Einzelausstellung von Katharina Grosse mit neuen Werken auf Leinwand aus dem letzten Jahr. Dies ist die erste Ausstellung der Künstlerin in der Galerie. In Verbindung mit der Ausstellung in der Potsdamer Straße zeigt die Window Gallery in der Goethestraße 2/3 die Arbeit Untitled, 2023.
Als eine der wichtigsten Malerinnen der Gegenwart ist Katharina Grosse international für ihre kühnen, haptisch anmutenden Bilder und ihre intensiven Farben bekannt. Seit den späten 1990er Jahren verwendet die Künstlerin eine Sprühtechnik, um traditionelle Vorstellungen von Malerei zu hinterfragen, neu zu definieren und zu unterlaufen. Ihre kaleidoskopische Bildsprache greift auf die physische Welt über und erstreckt sich über Wände, Böden, Decken, Alltagsgegenstände und skulpturale Strukturen. Durch diese radikale Einbeziehung des Raums als Aktionsfeld erreicht die Künstlerin einen paradoxen Zusammenprall der Ausdehnung der Farbe mit unserer materiellen Existenz. Die Farbe, die den Gedankenprozess oder den Blick der Künstlerin nachzeichnet, entwickelt so eine eigenständige Lebenskraft. Parallel zu ihren In-situ-Arbeiten arbeitet Grosse weiter an ihren Atelierbildern, deren aktuellste Entwicklung in der neuen Werkgruppe verkörpert ist.
„Für ihre Ausstellung Spectrum without Traces hat Katharina Grosse ihre Palette auf sechs Farben beschränkt, die sie ungemischt auf die Leinwände gesprüht hat. Mehrere Bilder wurden gleichzeitig gemalt; sie gehören zur selben Farbfamilie, aber die Art und Weise, in der die Farben miteinander in Verbindung treten, ist von Bild zu Bild unterschiedlich. Manchmal liegen sie dicht aneinander, ein Rot neben einem Rosa, und schaffen einen fließenden Übergang. An anderer Stelle übernimmt ein Gelb die Führung und beansprucht die Hauptrolle, oder ein tiefes Violett hinterlässt eine dunkle Note. Doch die Farben tauchen nie allein auf - in jedem Bild sind sie Teil eines Bündels, untrennbar in der Wahrnehmung. Was wir sehen, sind Farbbänder, von denen sich einige in paralleler Bewegung umschlingen, andere sich verflechten oder kreuzen. In ihrer Gesamtheit scheinen sie sich zu bewegen, zu schweben oder einen weißen Raum zu durchqueren.
Ein Spiel entsteht, zwischen scharfen Linien mit klarem Fokus und Bereichen, in denen die Grenzen unscharf und weich sind. Durch diese Interaktion werden unterschiedliche Sinnesempfindungen artikuliert, sowohl kraftvoll und entschlossen als auch milder. Auf einer straff gespannten Leinwand werden Falten im Stoff angedeutet. Ist das Illusionismus? Tatsächlich hat ein leichter Sprühregen einen Abdruck der Falten hinterlassen, die sichtbar waren, als die Leinwand noch an ein paar Nägeln im Atelier hing. Solche Effekte schaffen einen Wechsel zwischen dem Sehen von Illusionen von Dingen, die wir wiedererkennen, und dem Sehen einer Oberfläche mit Formen, die nur Spuren sind, das Hier und Jetzt der Farbe im Spiel.
Diese Wahrnehmungswechsel werden durch Fragmente der Figuration verstärkt. Weder Menschen noch Landschaften oder Objekte sind dargestellt, und doch gibt es Anspielungen auf menschliches Handeln, aber auch auf die Natur und auf Material. Die Formen zeugen von körperlichen Gesten, von den Arm- und Schulterbewegungen, die nötig sind, um Schleifen, Kurven und Farbspiele zu erzeugen. Andere Farbstränge bedienen sich desselben Formenvokabulars, das auch in der Natur vorkommt: dichte Gebüschmuster, die sanften Konturen eines Hügels. Die Anspielung auf die Natur wird durch tatsächliche Zweige von Sträuchern verstärkt, die in einige der Gemälde integriert sind. Die Zweige wurden in der Umgebung des Ateliers gefunden, in dem die Werke entstanden sind, und stammen aus einer Küstenlandschaft, in der raue Winde und weite Blicke über Wasser und Himmel präsenter sind als Mitmenschen.
In diesen Arbeiten dreht sich alles um die Farbe und ihre Fähigkeit, sich mit vertrauten Formen zu verbinden, aber auch zu dematerialisieren –präsent zu bleiben, aber ohne Identität.
Es herrscht ein ständiges Gefühl der Bewegung. Ein Knäuel Fäden flackert nach oben, wie ein Feuer, das sich entzündet, dann verlassen die Linien seitwärts den Rahmen, auf einen imaginären Punkt außerhalb des Bildes zustrebend. Tatsächlich beziehen sich die Motive in den meisten Bildern auf eine Welt außerhalb des Rahmens, so als wollten sie unsere Aufmerksamkeit vom Werk ablenken. In diesem Sinne verhalten sich die Gemälde nicht unähnlich den Werken, die Grosse im Freien geschaffen hat, wo es keinen Rahmen gibt, der das Kunstwerk von seiner Umgebung abgrenzt.
Anstelle der Aufforderung, die Bilder einzeln als Projektionen innerer Zustände oder als eine Reihe abstrakter expressionistischer Gesten zu betrachten, begegnen wir einer Art von Malerei, die sich im Raum ausbreitet und unsere Aufmerksamkeit in alle Richtungen lenkt. Sie zieht Verbindungslinien und erzeugt Dynamik, unterstützt durch einen ständigen Fluss von Farben. Ob wir nun direkt vor den Werken stehen oder sie von der Seite betrachten, die Gemälde beeinflussen was wir sehen. Selbst wenn wir sie nur im Augenwinkel wahrnehmen, strahlen sie eine lebendige Energie aus und sorgen dafür, dass man sie sieht. Doch in Bezug auf die Bedeutung, auf die Aussage, was sie sind, verhalten sie sich zurückhaltend und bleiben für unterschiedliche Interpretationen offen. Der Ansatz dieses Werkes scheint die Farbe in unserem Blickfeld, in unseren Sehgewohnheiten zu verstärken. Es wird keine andere Geschichte erzählt. Anstelle von reiner Darstellung, Symbolik oder Erzählung ist es die Farbe selbst, die den Raum schafft und die Fähigkeit hat, die Perspektive zu verschieben, eine Ebene hinzuzufügen, den Geist und die Sinne zu beeinflussen. Farbe gehört nicht zu einer einzigen Figur oder Situation, sie bewegt sich frei und kann sich in jeden Kontext einfügen.”
Jurriaan Benschop
Eine erweiterte Fassung dieses Textes wird im kommenden Katalog veröffentlicht
Katharina Grosse (geboren 1961 in Freiburg im Breisgau) lebt und arbeitet in Berlin und Neuseeland. Zu ihren letzten institutionellen Ausstellungen und ortsbezogenen Malereien zählen unter anderempsychylustro im Rahmen des Philadelphia Mural Arts Programme (2014); yes no why later im Garage Museum of Contemporary Art, Moskau (2015); Seven Hours, Eight Rooms, Three Trees im MuseumWiesbaden (2015); Untitled (Trumpet) für die 56. Biennale di Venezia (2015); Katharina Grosse im Museum Frieder Burda, Baden-Baden (2016); Rockaway für das MoMA PS1-Programm Rockaway! inFort Tilden, New York (2016); Asphalt Air and Hair auf der ARoS Triennale, Aarhus (2017); This Drove My Mother up the Wall in der South London Gallery (2017); The Horse Trotted Another Couple ofMetres, Then It Stopped im Carriageworks, Sydney (2018); Wunderbild in der Nationalgalerie in Prag (2018/2019); Mumbling Mud im chi K11 art museum in Shanghai (2018/2019) sowie im chi K11 art space in Guangzhou (2019), die Doppelausstellung Mural: Jackson Pollock I Katharina Grosse im Museum of Fine Arts, Boston (2019); Is It You? im Baltimore Museum of Art (2020/2021), It Wasn’t Us im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin (2020/2021), Shutter Splinter für die Helsinki Biennale (2021), Chill Seeping from the Walls Gets Between Us im HAM – Helsinki Art Museum (2021/2022), Chill Seeping im SCAD – Museum of Art, Savannah (2022), Apollo, Apollo im Rahmen des Begleitprogramms zur 59. Biennale di Venezia im Espace Louis Vuitton, Venedig (2022), Destroy Me Once, Destroy Me Twice auf dem Gelände des Roskilde Festivals (2022), Studio Paintings, 1988–2022: Returns, Revisions, Inventions im Mildred Lane Kemper Art Museum, St. Louis (2022, aktuell im Kunstmuseum Bern zu sehen), sowie Splinter in der Pariser Fondation Louis Vuitton, wo im Herbst letzten Jahres auch ihre im Dialog mit der Architektur von Frank Gehry stehende permanente Arbeit Canyon enthüllt wurde.
Katharina Grosse ist unter anderem in den folgenden Sammlungen vertreten: Albertina, Wien; Albright-Knox Art Gallery, Buffalo, NY; ARKEN Museum for Moderne Kunst, Kopenhagen; The Baltimore Museum of Art; Centre Georges Pompidou, Paris; Istanbul Modern; Kunsthaus Zürich; Kunstmuseum Bonn; K21 – Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf; Lenbachhaus, München; Louis Vuitton Foundation, Paris; Magasin III, Stockholm; MARe (Muzeul de Artă Recentă), Bukarest; MAXXI – Museo nazionale delle arti del XXI secolo, Rom; Milwaukee Art Museum, Milwaukee; Museum Azman, Jakarta; Kunstmuseum Bern; Museum of Fine Arts, Boston; Museum of Modern Art, New York; Nasher Sculpture Center, Dallas; Pérez Art Museum Miami; Serralves Museum, Porto; Staatliche Museen zu Berlin und QAGOMA, Brisbane.
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