Wir freuen uns, eine Ausstellung neuer Gemälde von Grace Weaver in der Goethestraße 2/3 zu präsentieren. Dies ist die fünfte Einzelausstellung der Künstlerin mit der Galerie Max Hetzler und ihre erste in einem unserer Berliner Standorte.
In ihrer neuesten Serie wendet sich Grace Weaver archetypischen Motiven zu, darunter die Mutter und das Kind, sowie der weibliche Akt. Für Weaver ist der Körper nicht nur ein Sujet, sondern ein Ort – eine Bühne, auf der Linien in lyrischen Gesten choreografiert werden und durch die Emotionen zum Vorschein kommen. Trotz ihrer monumentalen Größe offenbaren Weavers neue Werke einfache Motive und zarte Empfindungen.
In einer Reihe großer quadratischer Leinwände posieren Weavers Mütter in umhüllenden Umarmungen; sie schwanken, knien oder wiegen Kinder auf ihrem Schoß. Zwei Gemälde erstrecken sich über fünf Meter und zeigen Mutter und Kind in monumentaler Ausdehnung, deren geschwungene Konturen den Blick der Betrachter*innen sanft führen. An der Rückwand des Ausstellungsraums entfaltet ein Raster aus sechsundzwanzig kleineren Leinwänden ein Ensemble weiblicher Figuren in zärtlichen Umarmungen. Einige kümmern sich um Kinder, andere legen in leicht geneigter Haltung, die an Eva oder Aphrodite erinnert, die Arme um sich selbst, während sie versuchen, ihre nackten Körper vor dem Blick des Betrachters zu verbergen. Im Gegensatz dazu geben die Mutter-Kind-Gemälde eine Dreiecksformation der Blicke vor: Mal blickt entweder die Mutter oder das Kind nach außen, mal sind sie in ihrem Blick aufeinander fixiert. Die verlängerten, sich biegenden Hälse erinnern an die Haltungen aus Weavers ‚Flowers‘-Serie (2024). Wie in diesem früheren Werk ist Weavers zentrales Motiv erkennbar, driftet jedoch in die Abstraktion ab; Gliedmaßen verjüngen sich im Raum, und verkürzte Linien deuten lediglich auf Kleidung oder Konturen hin. Ob in Blumen oder Figuren, Weavers primäres Thema scheint die Haltung selbst zu sein, die als Mittel dient, um die Feinheiten der Stimmung zu vermitteln.
Weaver malt auf dem Boden und verwendet einen durchgehenden, frescoähnlichen Prozess. Über einer schwarzen Grundierung trägt sie mit übergroßen Pinseln matte, wässrige Farbschichten auf. Die Künstlerin arbeitet im Nass-in-Nass-Verfahren und bewegt sich ‚im Kreis‘ um die Leinwand, als würde sie einen Tanz ausführen, der aus bedachten, schwungvollen Bewegungen besteht. Die gesättigte Leinwand wird zu einem reagierenden Grund, der jede Geste absorbiert und sich der Revision entzieht. Linien reimen sich und harmonisieren. Rund um die geschwungenen Umrisse der Figur hinterlassen haptische Tropfen von Weavers überladenem Pinsel ihre Bewegungen, wodurch die Unmittelbarkeit des Zeichnens in die Malerei übergeht. Weaver bereitet jedes Gemälde in aufeinanderfolgenden Skizzen mit Kugelschreiber vor – sie reduziert die Figuren auf einige wesentliche Linien –, sodass der letzte Akt des Malens einer festgelegten Choreografie folgt. Die Farbpaletten der Gemälde – tintenblaue Kobaltfarben, zarte Pastelltöne und papierweiße Cremetöne – erinnern an die Materialien der Zeichnung.
Angeregt durch die formale Abstraktion und emotionale Unmittelbarkeit einer böotischen Terrakottafigur aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., die eine Mutter mit Kind im Arm zeigt, begann Weaver ihre Untersuchung des Mutter-Kind-Motivs mit ersten Skizzen. Während sie die Serie weiterentwickelte, vervielfachten sich die Referenzen, und spätere Werke griffen auf Cranachs Madonnen, mit ihrem zerzausten Haar und gummiartiger Anatomie, zurück. Weaver zitiert durchgängig Haltungen und Posen, wie sie in zypriotischen Sandsteinfiguren, niederländischen Altarbildern, ägyptischen Statuetten von Isis und Horus, orthodoxen Marienikonen und unzähligen antiken griechischen Kourotrophoi erscheinen. Trotz der Vielzahl an Einflüssen treten Weavers Gemälde in ihrer Unmittelbarkeit aus den Spezifika von Zeit, Raum und Allegorie heraus. Unverziert und nahe sprechen sie nicht von göttlicher Autorität, sondern von körperlicher Intimität, Verletzlichkeit und einer seltenen Lockerheit der Haltung und Präsenz.
Grace Weavers Arbeiten werden außerdem im Rahmen einer gemeinsamen Ausstellung mit Werken Günther Förgs vom 16. September bis 8. November 2025 in der Galerie Max Hetzler | Salon in Athen zu sehen sein.
Grace Weaver (geb. 1989, Vermont) lebt und arbeitet zwischen New York und Berlin. Einzelausstellungen der Künstlerin wurden in internationalen Institutionen gezeigt, darunter Yuz Museum in Shanghai; Neues Museum Nürnberg (beide 2023–2024); Oldenburger Kunstverein; Kunstpalais Erlangen (beide 2019); Kunstverein Reutlingen (2017); und Dakshina Chitra, Chennai (2012). Weavers Werke wurden außerdem in Gruppenausstellungen präsentiert, unter anderem bei Braunsfelder, Köln; Wilhelm Hallen, Berlin; Miettinen Collection, Berlin; Neue Galerie, Gladbeck; Villa Merkel, Esslingen (alle 2022); Kunstmuseum Ravensburg (2021); Galerie Wedding, Berlin (2018); ARoS Aarhus Kunstmuseum (2016); University of Georgia (2015); Burlington City Arts (2013); Flynn Center for the Performing Arts, Burlington (2012); Colburn Gallery, University of Vermont, Burlington (2011); und Newcastle University, Newcastle upon Tyne (2010).
A Scholar Says (Note-Poem on Mothers)
A scholar says that
The long lists
In the Bible,
And the Catalogue of Ships
In the Iliad
Are there to suggest a plentitude
i.e. “behold, a great multitude!”
Suggesting the amplitude
Of God’s creative powers
Or simply the abundance of
The material world.
All summer long I’ve been dreaming
Of hecatombs,
Sacrifices on the beaches
Of sandy Pylos.
Epi oinopa ponton.
A scholar says that
Matisse believed that color
Was affected by its mass,
Its quantity.
In the Vence chapel, his stained glass is all
Generous proportions of
Blue, green and yellow.
A scholar says that
The Virgin Mary,
Appearing in medieval
Or (maybe it was) early Renaissance works
With hair down and flowing
Did not reflect the manners
Of adult women at the time
Who customarily kept their hair
Covered or pinned up neatly.
The long tresses thus
Are there to remind us that Mary
Is not a woman
But is rather
an “adult girl.”
A scholar says that
“The oceanic feeling,”
The sense of infinitude
Experienced in moments of
Spiritual transcendence
Closely resembles
Our sensations in infancy.
I think of Buck Mulligan describing the sea as
“our great sweet mother.”
He cries out
“Thalatta! Thalatta!”
Summoning the joy of the Myriads
Finally coming upon the sea.
I think of Dedalus’ “oomb, allwombing tomb.”
I think of Dreyfus and his “all things shining,”
Paglia and her “glittering images”
Hephaestus’ shield,
And the Golden Madonna of Good Counsel of Essen.
I read Gimbutas and Campbell
But with a considerable
Grain of salt.
A scholar says that
The Hellespont
Is named for Helle, the sister of Phrixus,
Who fell from the golden ram
To a watery grave.
At night, when I drift off to sleep
I fly in my mind
To the Dardanelles
To the Hellespont
Which I imagine to be
A deep resonant cobalt.
A scholar says that
At the time when Rodin’s thinker was exhibited,
In the press
It was joked that
It would be ludicrous to imagine
A female version.
A scholar says that
Mary has many names
And I write them down:
Mary is
“The Light-Bearer,” and also
Hodegetria,
Which translates to
“She Who Shows the Way” and
Eleousa,
“Our Lady of Tenderness.”
My mother remembers her mother,
And the different Marys she’d direct her to
For different subjects of prayer.
My grandmother, she says,
Used to pray the rosary
On her old stationary bike.
I learn this only after
I’ve been cycling all summer in the studio
On Max Hetzler’s old stationary bike while
Googling Kourotrophos,
Boeotia,
the Protoevangelium of James,
The Virgo Lactans,
Apotropaism;
And screenshotting Cranach,
Metsys,
Botticelli,
Bellini
And Bouts.
A scholar says that Wagner
Writing to Nietzsche
Said he aimed to compose “the world’s lullaby.”
Apparently, he had in mind the phrase: “Eia popeia,
sung for centuries by mothers
to lull their babies.”
Since I first heard this read aloud
I’ve been singing what I think of as
“Aya Papaya” to the tune of
The Rhinemaidens’ “Heiajaheia”
And I still like the misreading,
Thinking of Joyce’s mondegreens:
“Allmen.”
Grace Weaver, 2025
Pressekontakt:
Galerie Max Hetzler
Honor Westmacott
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Berlin: +49 30 346 497 85-0
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