Wir freuen uns, Sie auf letters home, eine Einzelausstellung mit Werken von Edmund de Waal, in der Galerie Max Hetzler, Potsdamer Straße 77-87 in Berlin aufmerksam machen zu dürfen.
In seiner bildenden Kunst verwendet Edmund de Waal Objekte als Träger für menschliche Erzählungen, Emotionen und Geschichte. Seine Installationen aus handgefertigten Porzellangefäßen, die oft in minimalistische Strukturen eingebettet sind, beschäftigen sich mit Themen wie Diaspora, Erinnerung und Materialität. Seine Werke beinhalten dabei eine Art visueller lyrischer Erzählung, die durch Elemente wie Rhythmus und Wiederholung oder Licht und Schatten entsteht.
Neben neuen Serien von Vitrinen in schwarzer und weißer Farbe sowie Eiche umfasst die aktuelle Ausstellung auch die größten frei im Raum stehenden Tongefäße, die der Künstler bislang geschaffen hat, sowie einen großen Pavillon mit dem Titel there are still songs to sing beyond mankind, 2024. Trotz Unterschieden in Größe und Material sind alle Arbeiten letztendlich Behältnisse, deren Innenräume mit zunehmenden Dimensionen nur noch intimer zu werden scheinen.
Einzelne Worte oder Phrasen aus Gedichten von Denise Riley, Paul Celan und Rainer Maria Rilke finden sich in den Oberflächen und Titeln dieser Arbeiten von de Waal wieder. Weniger steht hier eine Analyse der Texte, als ihre emotionale Tragweite im Vordergrund. Einen weiteren Verweis auf die Sprache stellen die Formen der Vitrinen dar, die an Seiten aus einem Buch zu erinnern scheinen. Der Pavillon, von de Waal auch als eine Art ‘Teehaus’ bezeichnet, greift die Erinnerungen des Künstlers an Aufenthalte in Japan und seine Studien von sadō, der japanischen Teezeremonie, auf.
Im Dialog nicht nur untereinander, sondern auch mit der Geschichte, der Literatur und dem sie umgebenden Raum bieten de Waals Werke einen Ort des Innehaltens, in seinen Worten: „Briefe nach Hause – mein Versuch, sowohl den Atem der Trennung als auch den Puls der Verbindung zu spüren.
Edmund de Waal (geb. 1964, Nottingham, Großbritannien) lebt und arbeitet in London. Einzelausstellungen des Künstlers fanden in zahlreichen internationalen Institutionen statt, darunter CLAY, Keramikmuseum Danmark, Middelfart (Duo-Ausstellung, 2023-2024); The Feuerle Collection, Berlin; Waddesdon Manor, Aylesbury (beide 2022); Musée Nissim de Camondo, Paris (2021); The British Museum, London (2020); Japanisches Palais, Staatliche Kunstsammlungen, Dresden; The Frick Collection, New York; Ateneo Veneto und Jüdisches Museum, Venedig (alle 2019); Museu d’Art Contemporani d’Eivissa, Ibiza; Schindler House, Los Angeles (beide 2018); Artipelag, Stockholm (2017); Kunsthistorisches Museum, Wien; Gardiner Museum, Toronto (beide 2016); Royal Academy, London (2015); Kunsthistorisches Museum, Theseus Temple, Wien; Turner Contemporary, Margate (beide 2014); Waddesdon Manor, Aylesbury; Alison Richard Building, Cambridge (beide 2012); und Victoria and Albert Museum, London (2009).
Edmund de Waals Werke befinden sich unter anderem in den Sammlungen des Ashmolean Museum of Art and Architecture, Oxford; British Council, London; Fitzwilliam Museum, Cambridge; Jüdisches Museum, Berlin; Los Angeles County Museum of Art; Museum of Arts and Design, New York; Museum of Decorative Arts, Montreal; Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt; Museum of Fine Arts, Houston; Staatliche Kunstsammlungen, Dresden; Victoria and Albert Museum, London; Walker Art Gallery, Liverpool; und York Museum and Art Gallery, York.
letters home
Diese Ausstellung ist voll von Stimmen. Es gibt Worte, die in Scherben von schwarzem Porzellan geschrieben und in schwarze Deckelgefäße eingraviert sind. Es gibt Echos von Gedichten über Feier und Klage. Es gibt einzelne Stimmen und solche, die sich überschneiden, widerhallen und wiederholen. An der langen Wand der Hauptgalerie befinden sich dreizehn Vitrinen aus schwarzem Eichenholz, in denen Scherben, geschwärztes Silber und kleine, dünne Töpfe aufbewahrt werden: es trägt den Titel a part song, der an den bewegenden Appell der Dichterin Denise Riley an ein verlorenes Kind erinnert. Wenn ich an die Töpfe und die Strukturen und die Hände denke, die sie halten, betrachte ich sie als Briefe nach Hause – mein Versuch, sowohl den Atem der Trennung als auch den Puls der Verbindung zu spüren. Um uns der Berührung, dem Zuhause näher zu bringen.
Auch diese dunklen Gefäße mit Deckel sind Briefe nach Hause. Ich habe ein Jahrzehnt lang von ihnen geträumt, aber erst letztes Jahr begonnen, sie in Dänemark herzustellen, in Zusammenarbeit mit dem hervorragenden Team des Tommerup Ceramics Workshop. Sie sind bei weitem die größten Gefäße, die ich je hergestellt habe. Ich wollte Töpfe machen, die man anfassen kann, die klingen und groß genug sind, um sich dagegen zu lehnen. Sie bestehen aus grobem, rotem Ton, der in einem riesigen Brennofen zu einem Schwarz von solcher Dichte gebrannt wird, dass er in manchen Lichtern fast wie Silber wirkt. Während sie noch feucht waren, begann ich, in sie zu schreiben, aber das Schreiben wurde zum Einritzen, Markieren, Ausradieren, Kritzeln. Ich begann mit Teilen von Rilkes Duineser Elegien, aber schon bald verschwanden diese Worte im Ton, überschrieben und zurück in die Oberfläche verwischt. Ich habe diese Gefäße Elegien genannt.
Und ich habe ein Gebäude gebaut. Es ist ein Teehaus, ein Pavillon und eine Unterkunft. Es ist eine Art Gefäß, zum Lob des Schattens, ein Gedicht. Als ich vor über vierzig Jahren als Töpfer in die Lehre ging, studierte ich sadō oder die Teezeremonie in Japan, und die Erinnerung an die Dimensionen der Teezeremoniehäuser ist mir geblieben. Es war zum Teil die Art und Weise, wie man vom Teehaus selbst aus den umliegenden Garten sieht: die Idee, Aspekte der Landschaft einzurahmen. Es war die Vorstellung von einem Ort, der einen entschleunigt, der einem hilft, sich zu sammeln. Aber es war auch die Taktilität der Gebäude, ihre scheinbare Durchlässigkeit: Sie scheinen kontingent zu sein.
Dieser Pavillon ist außen aus geschwärztem Pappelholz und innen aus gebrannter Eiche gefertigt. Zwischen den Rissen und in den Zwischenräumen blitzt Silber auf. Licht kommt von einem einzigen Stück atemberaubend dünnen Porzellans in der Farbe des Mondes. Licht kommt durch eine Rille in der Decke, die mit gebrannten Eichenstäben durchzogen ist und wird durch einen Dachraum gefiltert, in dem sich neunundzwanzig schwarze Porzellantöpfe befinden.
Er ist ein Schattenfänger. Der Raum ist gerade groß genug für vier oder fünf Personen, klein genug, um allein auf einer Bank zu sitzen.
Vor zehn Jahren habe ich für meine erste Ausstellung in Berlin eine Installation namens Fadensonnen nach einem Gedicht von Paul Celan gemacht. Das Gedicht ist ein Prüfstein für mich. Es ist eine Art Scherbenhaufen, zerbrochene Worte, die wieder zusammengefügt werden, gehalten von einer Seite. Es schmerzt vor Leid und Hoffnung. Fadensonnen – Threadsuns in der Übersetzung von Pierre Joris – ist nun Teil dieser Ausstellung geworden, Teil des Titels dieses Gebäudes, Teil eines Versuchs, Briefe nach Hause zu schreiben:
Threadsuns
above the grayblack wastes.
A tree-
high thought
grasps the light-tone: there are
still songs to sing beyond
mankind.
Fadensonnen
über der grauschwarzen Ödnis.
Ein baum-
hoher Gedanke
greift sich den Lichtton: es sind
noch Lieder zu singen jenseits
der Menschen.
Hier versuche ich, den Raum im Inneren eines Gefäßes zu verstehen, den Raum in den Händen, die die Schale halten, den Raum zwischen Atemzügen – und jetzt den Raum, der von diesem kleinen Haus eingenommen wird.
Edmund de Waal
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