Im Laufe des letzten Jahrzehnts entwickelte Arturo Herrera einen vielschichtigen Werkkomplex, der Collagen, bemalte Holzskulpturen, Photographien, Papier-, Filz- und Wandarbeiten umfaßt. Herrera bedient sich nicht selten einer fragmentarischen Sprache – deren Verweise die Bandbreite von Zeichentrickfilmen bis zu kunstgeschichtlichen Themen abdecken – um darin enthaltene erzählerische Strukturen aufzubrechen und aus ihrem Kontext herauszulösen, ohne dabei jedoch die kodierten Bezüge der Bilder gänzlich auslöschen zu wollen. Die so entstandenen Arbeiten sind Mischformen, die sich zwischen expliziter und implizierter Darstellung bewegen. Herreras Arbeiten umgehen vorraussehbare Lesarten, um einen nur unterschwellig wahrnehmbaren Raum zwischen Unordnung und Ordnung zu schaffen, in dem Ästhetik und Zweideutigkeit vorherrschen und nachhallen.
Für die daadgalerie, die Galerie Max Hetzler in der Holzmarktstraße 15-18 und für die westliche Brandmauer des Gebäudes Zimmerstraße 90/91 hat Arturo Herrera drei zeitlich begrenzt existierende Wandarbeiten speziell für jeden einzelnen dieser drei Orte geschaffen.
In der daadgalerie in der Zimmerstraße stellt sich Herrera der starken vertikalen Wirkung des architektonischen Raumes, indem er eine Wandmalerei schafft, deren Form, Muster und optische Wirkung besonders zur Geltung kommen. Gerade Linien und freie Handzeichnungen wurden homogen in demselben Farbton auf die Wand appliziert.
Der akribische Prozess zur Erstellung dieses Rot-Tons bestand darin, Farbschicht um Farbschicht auf die im Vorfeld weiß grundierte Wand aufzutragen. Paradoxerweise entsteht im ausgemalten Raum eine dreidimensionale Struktur voll energischer Bewegung, die an der Wand selbst jedoch als plane Fläche und völlig bewegungslos erscheint. Der Betrachterin bzw. dem Betrachter ist es überlassen, eine ganz eigene Choreographie aus der Wandarbeit heraus entstehen zu lassen.
Für die Galerie Max Hetzler in der Holzmarktstraße hat Herrera eine großformatige Wandarbeit geschaffen, die aus trockener Pigmentfarbe besteht. Die komplexe Bildvorlage wurde auf die freistehende Wand übertragen, indem die traditionelle Methode eines perforierten Cartoons auf Papier angewendet wurde. Unzählige gekrümmte Linien stehen mit der streng linearen Anordnung der Backsteine des weißen Gewölbes der Galerie in einem besonderen Dialog. Die Wandarbeit und der Galerieraum scheinen auf intime Weise miteinander verbunden zu sein. Der Betrachter muß vor der großen Wand auf und ab gehen, um das scheinbar kurzlebige aber höchst aufwändig ausgeführte Bild aufnehmen zu können. Kleine Pünktchen, die gerade noch an der Wandoberfläche zu hängen scheinen, bilden zusammen genommen eine eindrucksvolle Zeichnung.
Diese tropfenförmige Zeichnung läßt einerseits den Eindruck eines abstrakten Expressionismus entstehen, andererseits führt sie dem Betrachter gleichzeitig Bilder aus Zeichentrickfilmen vor Augen.
Die an der Wandkante sichtbaren Pigmentreste vermitteln einen Eindruck von der Quantität und Beschaffenheit der benutzten Farben, die zur Herstellung dieser Wandarbeit verwendet wurden.
Schließlich hat Herrera an der westlichen Brandmauer des Gebäudes in der Zimmerstraße 90/91 mit der dortigen rauen, unebenen Wand und einer abstrakten schwarzen Fläche einen besonderen Dialog geschaffen. Das Resultat – eine friesartige Wandmalerei – erinnert an die formale Sprache der Moderne des zwanzigsten Jahrhunderts. Das schmale dichte Werk beansprucht die gesamte Fläche der Wand, die voller geschichtlicher Bedeutung steckt.
Diese Wandmalerei wird zu einer riesigen Collage, in der das Bild selbst und die nackte Wand zusammen zu einer Interpretationsvorlage werden und deren Assoziationsvielfalt voller bleibender nachklingender Bezüge ist. Die topographische Distanz macht es unmöglich, die drei Arbeiten gleichzeitig zu sehen und zu vergleichen. Der Betrachter wird aufgefordert, selbst Verbindungen zwischen den konzeptuellen Ähnlichkeiten und Widersprüchen der drei Wandarbeiten herzustellen.
Arturo Herrera
geb. 1959 in Caracas, Venezuela
Studium an der University of Tulsa, USA (BFA, 1982)
Studium und Master (1992) an der Universität of Illinois, Chicago, USA
lebt und arbeitet seit 2003 in Berlin und New York
Öffnungszeiten: Galerie Max Hetzler, Holzmarktstraße 15-18
Di – Sa 11 – 18 Uhr; Tel.: 240 456 30
Dauer der Ausstellung: 9. September – 29. Oktober 2005
daadgalerie, Zimmerstraße 90/91
Mo – Sa 11 – 18 Uhr; Tel.: 261 26 40
Dauer der Ausstellung: 9. September – 19. November 2005
Westliche Brandmauer, Zimmerstraße 90/91